Die Utopie der Liebe
March 14, 2015 in Liebe
Wissenschaftler müssen alles definieren, klassifizieren und in Schubladen einordnen, sie können einfach nicht anders. Daher rührt auch die ewige Diskussion darüber, was den Menschen ausmacht bzw. was uns eindeutig von den Tieren abgrenzt. Die Theorien reichen von der Benutzung von Werkzeugen über den Humor bis hin zum Sex zum Vergnügen und nicht nur zur Fortpflanzung, aber all dieser Unsinn ist ja Gott sei Dank schon längst widerlegt. Aber einen wirklich interessanten Ansatz haben die Wissenschaftler bislang noch völlig übersehen: Wir Menschen jagen im Gegensatz zu den Tieren ständig einer Illusion oder Mythos hinterher, der Utopie der Liebe.
Im weiteren Sinne bedeutet Utopie einen undurchführbar erscheinenden, wenngleich auch wünschenswerten Plan oder auch eine (gute) Idee ohne reale Grundlage. Ja, so ein bisschen klingt das jetzt schon nach Liebe, oder?
Immerhin ist und bleibt doch für viele von uns die (große) Liebe eher nur eine abstrakte Idee, die immer wieder an der Realität zerbricht. Werfen wir doch mal einen ganz kurzen Blick auf die großen Liebesgeschichten der Literatur. Da fällt uns doch zuerst "Romeo und Julia" von Shakespeare ein. Ein etwas genauerer Blick darauf zeigt uns zwei pubertierende Jugendliche (14 und 17 Jahre alt), die sich nach bemerkenswert kurzem Kennenlernen sofort unsterblich ineinander verlieben und nach relativ kurzer Zeit wegen eines wirklich "blöden" Missverständnisses sterben.
Nun gut, hätte mal jemand offen mit Romeo über den Plan gesprochen, wären die Beiden wahrscheinlich noch lange am Leben geblieben, und vielleicht hätten sie nach wenigen Jahren genug voneinander gehabt und sich getrennt, wie das eben so läuft mit der Liebe. Dann wäre das heute vielleicht auch eine berühmte Geschichte von Shakespeare, aber eben kein Liebesdrama, sondern ein "Rosenkrieg" mit einer frustrierten alleinerziehenden Mutter im Mittelpunkt. Weinende Zuschauerinnen hätte sicherlich auch diese Wendung hervor gebracht.
Auch der Blick auf die altgriechische Liebe zwischen Odysseus und Penelope, die von Homer in seiner Odyssee beschrieben wird, lohnt sich in diesem Zusammenhang. 20 Jahre brauchte der "Lump", um nach dem durch eine fiese List gewonnenen Krieg um Troja endlich nach Hause zu seiner Ehefrau Penelope zurückzukehren mit der Begründung, dass sein Navi nicht funktionierte. In der Utopie ihrer ehrlichen Liebe wartete sie treu auf diesen Herumtreiber und schlägt so viele Anträge guter Partien aus. Angesichts der begrenzten Blütezeit einer Frau ist doch die Frage berechtigt, ob die Heirat mit einem ihrer "Belagerer" und ein paar weitere nette Kinder sie nicht doch insgesamt glücklicher gemacht hätte. Aber wäre eine solche Variante so unsterblich in das Erbe großer Weltliteratur eingegangen? Wohl kaum.
Warum sind wir eigentlich so begeistet und innerlich bewegt von tragischen, dramatischen Geschichten, die sich in aller Regel durch total irrationales Handeln der Protagonisten auszeichnen? Es sieht in der Tat danach aus, dass die Menschen schon seit Jahrtausenden regungslos vor der Utopie der Liebe hocken wie das Kaninchen vor der Schlange. Vielleicht gibt es da in der Konstruktion unseres Hirns einen Zusammenhang zur Lust am Gruseln.
Bewiesen haben ja die Wissenschaftler inzwischen, dass die spontane Verliebtheit auf einem verrückten (chemischen) Tanz der Hormone zurückzuführen ist, gleichsam eine biochemische Anomalie, die sich aber kaum ein Jahr lang im Körper aufrecht erhalten kann. Im Volksmund sind nicht umsonst Sprüche entstanden wie z. B.: "Zwischen den Beiden stimmt die Chemie nicht" oder "Ich kann ihn nicht riechen", und diese Reihe lässt sich noch ordentlich fortsetzen.
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